Die Handlungskette
1) allgemeine Definition
Die Handlungskette ist eine Abfolge von instinktiven
Verhaltensabläufen/ Handlungen, die sich zu einer Handlungskette zusammenfügen.
Bei den Handlungen entstehen verschiedene Reizsituationen, die wiederrum einen
Schlüsselreiz für eine neue Handlung sind oder die Endhandlung. Die
Handlungskette kann man dabei in die normale und die verschränkte
Handlungskette unterscheiden.
: unbewusste Wahrnehmung, z.B.: Hunger; kann evtl. ausfallen
: Orientierungsbewegung
: Handlungsbereitschaft
: starrer Handlungsablauf, erblich festgelegt
Die Handlungskette besteht aus mehreren hintereinander
ablaufenden Teilen der Instinkthandlung, welche mit der Endhandlung abschließt.
2) Handlungskette der
Stichlingsbalz
1 Erscheint ein
Stichling-Weibchen mit silbernen und dicken Bauch -visueller Reiz, der eine
Appetenz auslöst- im Revier eines
Männchens –beide der gleichen Art-, 2
beginnt dieser instinktiv mit seinem Balztanz-Handlungsbereitschaft auf
visuellen Reiz-. Diesen nennt man Zick-Zack-Tanz. Mit diesem Balztanz möchte
das Männchen auf sich aufmerksam machen.
Der Balztanz löst beim Weibchen einen visuellen Reiz aus.
Ist das Weibchen bereit zur Fortpflanzung reagiert sie auf diesen Reiz, stellt
sich 3 schräg zum Männchen und zeigt
ihren dicken Bauch, welcher durch die vorhandenen Eier aufgebläht aussieh.
Die Handlung bewirkt einen erneuten visuellen Reiz auf das
Männchen, welches daraufhin seinen Balztanz fortführt und das Weibchen auf das 4 Nestm hinweist. Dies vollzieht das
Männchen so oft bis das Weibchen darauf reagiert, entweder durch Wegschwimmen
oder 5 Folgen. Wenn das Weibchen
folgt, zeigt das Männchen den 6 Nesteingang.
Hat sich das Weibchen einen Eingang zum Nest gegraben, 7 schlüpft es hinein.
Ist das Weibchen im Nest klopft das Männchen mit der Schnauze auf die
Schwanzwurzel des Weibchens-Berührungsreiz-. Diesen Vorgang nennt man 8 Schnauzentremolo, dieses löst beim
Weibchen das 9 Ablaichen aus.
Nach dem Ablaichen wird das Weibchen vertrieben, da es nicht
mehr als dieses erkannt wird -kein dicker Bauch am Weibchen mehr erkennbar-.
Das Ablaichen des Weibchens ist die Endhandlung der Handlungskette des
weiblichen Stichlings.
Nachdem das Weibchen vertrieben wurde, schlüpft das Männchen
selbst in das Nest und besamt die Eier. 10 Das Besamen der Eier ist die
Endhandlung der Handlungskette des männlichen Stichlings.
Bei weiteren
vorbeischwimmenden trächtigen Weibchen kann sich Balz und Eiablage wiederholen,
sodass im Nest des Männchens mehrere
Gelege von verschiedenen Weibchen
vorhanden sind. Nach der Befruchtung kümmert sich das Männchen um die Nestpflege
und entfernt verpilzte und
abgestorbene Eier. Mit dem Fächeln der Brustflosse werden die Eier mit genug
Sauerstoff versorgt.
2.1) Erklärung
Handlungskette der Stichlingsbalz
Anhand des Balzverhaltens
der Stichlinge lässt sich eine verschränkte Handlungskette erklären. Bei
der verschränkten Handlungskette handelt
es sich um eine Reizbeeinflussung zwischen zwei
Partner, die Partner beeinflussen sich gegenseitig durch ihr Verhalten,
wobei immer wieder neue Schlüsselreize
gesendet werden. Reagiert ein Partner nicht auf den Schlüsselreiz, so wird die
Handlungskette abgebrochen und beginnt wieder von vorne. Jedoch können bei
einer Handlungskette auch Schritte übersprungen werden und beliebig oft
kombiniert und wiederholt werden. Die Handlungskette ist keine starre Abfolge
und ist dann abgeschlossen, wenn es zu einer Endhandlung kommt.
3) Versuche mit Erdkröten
(Filme)
Film 1
In einem Labor werden Versuche mit Erdkröten durchgeführt. Die Erdkröten werden mit Mehlwürmern aus
einer Petrischale gefüttert.
Anfangs beachten sich die Erdkröten kaum und haben ihre
Blicke nur auf die Mehlwürmer gerichtet. Die Mehlwürmer bewirken einen visuellen
Beutereiz bei den Erdkröten. Es kommt zur Taxis und der gerichteten Appetenz.
Die Erdkröten zeigen nun die Bereitschaft zum Fressen.
In einem weiteren Versuch wird Mehlwurmkot in eine
abgetrennte Hälfte eines Terrariums geblasen, dieser Versuch soll zeigen, dass
die Erdkröten den Geruch des Mehlwurmkots wahrnehmen.
Die Erdkröten nehmen sofort den Geruch des Beutetieres
(Mehlwurm) war und verbinden ihn mit dem Geruch des Beutetieres, die Kröten
werden sofort aktiver, da ihre ungerichtete Appetenz steigt. Bewegt sich nun
auch ein Objekt, kommt es zur Taxis und zur gerichteten Appetenz. Bewegt sich
ein Objekt weiter kommt es zur Endhandlung und die Erdkröten beginnen damit
untereinander nacheinander zu schnappen.
Dieser Versuch zeigt, dass die Erdkröten den Futterduft
mit jedem beliebigen Bewegungsreiz verbinden und sich sogar
anfangen selber zu beißen.
Die Tiere auf der anderen Seite des Terrariums ohne
Geruch bleiben ruhig, da die Tiere aus dem Freiland den Geruch nicht kennen und
ein Bewegungsreiz eines anderen Tieres nicht genügt, um eine Appetenz zum
Zuschnappen auszulösen.
Die Laborkröten kennen den Futtergeruch und reagieren darauf, da sie im Labor regelmäßig
mit Mehlwürmern gefüttert werden, auch wenn diese nicht zu den eigentlichen
Nährmitteln in der Natur gehören. Die Laborkröten assoziieren den Geruch mit
der Beute und Nahrung , daher findet eine Art Selbstdresseur statt.
Die Triebstärke wird bei bekanntem Beuteduft soweit
erhöht, dass auch solche Objekte einen Reiz zum Beutefang auslösen, dessen Konfiguration
nicht in das angeborene Beuteschema passt.
Der bekannte Futterduft und
ein Bewegungsreiz genügen als
Auslöser für den Beutefang. Der angeborene Auslösemechanismus kann sehr fein
zwischen Beuteähnlichen und unähnlichen Bewegungskonfigurationen unterscheiden.
Bei einem weiteren Versuch wird ein horizontaler Streifen
vor einer Kröte wie ein Wurm platziert, dieser Streifen löst das Beutefangschema aus. Durch
die Bewegung des Streifens kommt es zu einer Taxis und der gerichteten
Appetenz. Allerdings kommt es zu keiner Endhandlung. Die Erdkröte
beobachtet den „Wurm“- Pappstreifen- nur und lässt ihn nicht
aus den Augen- Zeichen für die Taxis und die gerichtete Appetenz.
Auf den Antiwurm, also ein senkrecht angelegter Streifen,
reagiert die Erdkröte nicht. Wird jedoch
der Duft von Mehlwurmkot hinzugefügt, schließt die Kröte sogar den Antiwurm in
ihr Beuteschema ein. Das zeigt, dass
zwei verschiedene Reize zusammenwirken müssen, um den die Endhandlung bei der
Erdkröte aus zu lösen. Ohne den Duftreiz
würde die selbe Kröte mit dem angeborenen Schema nicht reagieren und den
Antiwurm meiden. So kann die Erdkröte
durch die Filtereigenschaften ihres angeborenen Auslösemechanismus ihre
Erfahrungen erweitern.
Film 2
Im zweiten Film wird ein neuer Versuch vorbereitet, dieser wirft die Frage
auf welches Merkmal der bewegten Streifen Beute und nicht-Beute signalisiert
und ob es wirklich die Orientierung der Streifenlängsachse im Raum ist.
Der Versuch läuft folgendermaßen ab:
Ein schwarzer Streifen auf weißem Laufband kreuzt das
Gesichtsfeld der Kröte auf unterschiedliche Weise.
Ein horizontal angeordneter Streifen in horizontaler Bewegung löst bei der
Erdkröte den Beutefangreiz aus. Der gleichlange Streifen in vertikaler Ebene,
in horizontaler Richtung laufend, löst
bei der Kröte nichts aus, sie wendet sich sogar ab.
Ein vertikal angeordneter Streifen in vertikaler Richtung
laufend, signalisiert der Kröte überraschenderweise Beute. Der horizontale Streifen in vertikal laufender Richtung
bleibt unbeantwortet. Entsprechende Befunde
gelten für diagonale Richtungen.
Wurmkonfiguration:
Wenn Längsachse eines Streifens parallel zur
Bewegungsrichtung läuft.
Antiwurmkonfiguration:
Wenn Längsachse eines Streifens quer zur Bewegungsrichtung
ausgerichtet ist.
Diese Präferenz Wurm gegenüber Antiwurm ist Bestandteil
eines Spezien gemeinsamen Musterunterscheidungsvermögens.
3.1) Auswertung Versuche
An den Laborversuchen mit den Erdkröten wird deutlich
welche Reize auf die Erdkröte wirken müssen damit diese ihr erbkoordiniertes
Beutefangverhalten zeigen. Während der ungerichteten Appetenz, Hungergefühl,
reagiert die Erdkröte auf den visuellen Reiz, den ein Objekt durch Bewegung
hervorruft. Entspricht das bewegte Objekt noch einem Wurm, so ist die Erdkröte
voll und ganz auf sein Beutefangverhalten konzentriert.
Ungerichtete Appetenz + Bewegungsreiz =
Beutefangverhalten
Desweiterem hat man durch die Versuche mit den
Geruchsproben gesehen, dass die Erdkröten durch den Geruch viel stärker gereizt
werden und reagieren als auf einen visuellen Bewegungsreiz. Sobald das
erbkoordinierte Beutefangverhalten der Erdkröten durch den Geruch angeregt
wurde, zeigt sich nicht nur die Taxis und die gerichtete Appetenz, sondern auch
eine Endhandlung- das Schnappen der Erdkröten nacheinander-. Der Hauptreiz für
die Endhandlung ist damit der Geruchsreiz.
Geruchsreiz = Beutefangverhalten
Der Geruchsreiz mit dem Mehlwurmkot wirkt nur bei den
Erdkröten, welche schon länger im Labor mit Mehlwürmern gefüttert wurden. Die
Erdkröten, aus ihrer natürlichen Umgebung kommend, zeigen keine Reaktion auf den Geruch. Für sie ist
die Wurmkonfiguration zum Beutefangverhalten und der Endhandlung
ausschlaggebend. Die Erdkröten aus dem Labor haben ihr angeborenes
Beutefangverhalten erweitert. Sie haben den Geruchsreiz mit Beute verbunden und
den Bewegungsreiz als unwichtiger eingestuft. Der Geruchsreiz löst bei den
Erdkröten aus dem Labor die Handlungskette aus. Sie riechen die „Beute“,
reagieren darauf und durch einen Bewegungsreiz steigern sie ihre
Handlungsbereitschaft und es kommt zur Endhandlung. Dies ist die normale
Handlungskette.
4) Resümee
Das Beutefangverhalten einer Erdkröte besteht aus einer Abfolge
stereotyper Bewegungen wie Zuwenden, Fixieren, Zuschnappen. Woran aber erkennt
die Erdkröte ihre Beute? Welche Reize lösen die Bewegungsabfolge aus?
Zuwenden= Taxis
Fixieren= gerichtete
Appetenz
Zuschnappen= Endhandlung
Die Erdkröte erkennt
ihre Beute an der Wurmkonfiguration und die dazu gehörige Bewegungsrichtung,
verstärkt wird die Reizung durch eine erweiterte „antrainierte“ Dufterkennung,
wodurch es zur Bewegungsabfolge/ Handlungskette kommt.
Die Erdkröte steht in einer
einseitigen Verbindung mit ihrer Beute -> Normale Handlungskette
Die Stichlinge stehen in
einer gegenseitigen Verbindung und reizen sich gegenseitig -> verschränkte
Handlungskette
Tiere zeigen
grundsätzlich ein instinktives Verhalten, welches erbkoordiniert festgelegt
ist. Dieses kann aber erweitert oder verfeinert werden. Sind verschiedene Reize
nötig, um zur erbkoordinierten Endhandlung zu kommen, spricht man von einer
Handlungskette.
Quellen:
Stark- Verlag; Meinhard, Moisl; Abitur- Training Biologie;
Biologie 2, Verhaltensbiologie, Evolution; S.63- 77
Filme und Infoblatt von
Herr Wilfer
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