Prägung
Bei der
Prägung handelt es sich um einen Lernvorgang, welcher bei Tieren ein Auslöser
für verschiedene Verhaltensweisen ist. Grundsätzlich dient dieser Lernvorgang
zum Erwerb sozialer Verhaltensweisen. Die Prägung ist dadurch gekennzeichnet,
dass in der sensiblen Phase (frühe Lebensphase), ein bestimmtes Verhalten
extrem rasch und für das ganze Leben erlernt wird. Nachdem die sensible Phase vorüber
ist und das Verhalten nicht erlernt wurde, ist auch die Prägungsbereitschaft
vorüber. Die Prägung kann dadurch im späteren Verlauf des Lebens nicht nachgeholt
werden. Die sensible Phase unterscheidet sich bei verschiedenen Tierarten im
Alter und Länge. Es können auch Verhaltensweisen geprägt werden, die selbst
noch nicht vollzogen werden können.
Bei der
Prägung unterscheidet man generell zwischen der Objektprägung und der
motorischen Prägung. Bei der Objektprägung handelt es sich um die Prägung auf
ein bestimmtes Objekt bzw. im Normalfall auf einen Artgenossen. Die motorische
Prägung ist das Aneignen verschiedener Handlungen. Desweiteren gibt es mehrere
Varianten der Prägung:
Nachfolgeprägung/ Nachfolgereaktion
Bei der
Nachfolgeprägung handelt es sich um die Objektprägung. Diese Art der Prägung
kann besonders gut bei Gänsen oder Enten beobachtet werden. Die Küken müssen
nach dem Schlüpfen erst erlernen wer ihre Mutter ist und haben somit kein
angeborenes Mutterbild. Die Küken folgen dem Objekt, das sich nach dem
Schlüpfen als erstes bewegt und Laute von sich gibt, schon nach wenigen Tagen in
dessen Umgebung. Das kann das Muttertier im Normalfall sein, aber auch ein
bewegender Ball, der Laute von sich gibt. In diesem Fall spricht man von
Fehlprägung. Dieses Verhalten wurde bei Gänsen und Küken durch verschiedene
Apparaturen erkannt. Am häufigsten kommt es zu Fehlprägung bei Küken, die im
Brutschrank schlüpfen.
Konrad
Lorenz ist für seine Analyse der Prägung in den 30er Jahren bekannt und hat
zahlreiche Versuche gemacht. In einem Versuch mit Graugänsen sorgte er dafür,
dass er als erstes Objekt nach dem Schlüpfen wahr genommen wurde und prägte
somit die Küken auf sich. Diese folgten ihm von diesem Tag an überall hin.
Durch ihn wurde die Nachfolgeprägung zu dem bekanntesten Sachverhalten der
Verhaltensforschung.
Sexuelle Prägung
Besonders
bei der sexuellen Prägung wird das Merkmal deutlich, dass das geprägte Verhalten
erst nach der Prägungsphase angewendet werden wird bzw. kann, weil das Tier
dafür geschlechtsreif sein muss. Auch bei dieser Variante der Prägung hat
Konrad Lorenz erstaunliche Beobachtungen gemacht. Die auf ihn geprägten männlichen
Enten akzeptierten ihre weiblichen Artgenossen nicht als Sexualpartner. Bei diesem
Verhalten wird deutlich, dass sich die Gänse schon im Küken Alter auf ihre
Sexualpartner prägen, jedoch noch nicht die dazu hörigen Verhaltensweisen
aufweisen, also sich erst fortpflanzen, wenn sie geschlechtsreif sind. Die weiblichen
Enten haben hingegen eine angeborene Kenntnis über ihre männlichen Artgenossen.
Prägung auf den eigenen Nachwuchs
Da die
sensible Phase nicht immer in der Kindheit liegt, kommt es auch dazu, dass sich
Elterntiere auf ihre Jugend prägen. Das kommt am häufigsten bei Herdentieren
oder Kolonien brütenden Vögeln vor. Die weiblichen Ziegen lassen beispielsweise
jedes Jungen vom Euter trinken, dessen Geruch sie ca. 1 Stunde nach der Geburt
wahrgenommen haben. Somit prägen sie sich nicht nur auf die eigenen Jungen,
sondern lassen auch fremde Jungtiere vom Euter trinken. Im Fall der Möwen
erlernen die Muttertiere den individuellen Ruf ihrer Küken direkt nach dem
Schlüpfen.
-> Die bei der
Prägung erworbenen Verhaltensweisen werden auch als erworbene Auslöser bzw.
Schlüsselreize bezeichnet.
Schlüsselreiz/Auslösemechanismen
Jeder
Instinkt oder eine Erbkoordination wir durch einen Auslöser oder einen
Schlüsselreiz ausgelöst. Die meisten Schlüsselreize wirken über einen
angeborenen auslösenden Mechanismus (AAM). Das Ergebnis dieser Reize ist, dass
ein Verhalten in Gang gesetzt wird. Allgemein besteht der Begriff
„Schlüsselreiz“ aus einer Modellvorstellung:
Man geht davon aus, dass im Zentralnervensystem laufend
Erregungen für Handlungsabläufe prodoziert werden, die aber durch eine
Kontrollinstanz in Schranken gehalten werden. Wir können in der
Modellvorstellung diese Schranken als „Türen“ ansehen, welche vom Schlüsselreiz
auf gehoben werden oder gehemmt werden. Das wichtigste beim Schlüsselreiz ist,
dass es sich dabei nicht um einen einzelen Reiz handelt, sondern um komplexe
Reizmuster, die von einem Mustererkennungsvorgang im Zentralnervensystem
erkannt werden. So kann man sagen, dass die „Tür“ (Schranken) erst aufgeht und Bahnen
frei gibt, wenn der „Schlüssel“(Reizmuster) in das „Schloss“(Mustererkennung/AAM)
passt. Der Schlüsselreiz löst immer eine bestimmte Handlung aus. Welche Teile
des Hirns dabei beansprucht werden, ist nur in wenigen Fällen bekannt wie zum
Beispiel bei der Erdkröte.
Die Erdkröte besitzt ein Hirnareal im Mittelhirn, welches
zur Erkennung der Beutetiere dient. Durch Beschädigung des Hirnareals kann die
Kröte nicht mehr Beutetiere von Nichtbeutetieren unterscheiden.
Ein einfaches Beispiel für den Schlüsselreiz lässt sich
bei der Zecke finden:
Der Schlüsselreiz ermöglicht ihr eine sehr hohe
Wahrscheinlichkeit für einen geeigneten Wirt, indem sie in alles sticht was eine
warme Körpertemperatur hat und nach Buttersäure(Körperschweiß) riecht. Jedes
Lebewesen, was ihr dieses Reizmuster bietet, löst bei ihr die Handlung des
stechens aus.
Bei beiden Beispielen redet man von dem AAM (angeborener
Auslösemechanismus). Dieser dient jedem Tier zum filtern der Reizmuster.
Ein weiteres Beispiel für den angeborenen Auslösemechanismus:
Kugelförmig/helle obere Seite (Reizmuster) -> Schlüssel
Da der AAM nicht immer Hemmungen aufhebt, sondern auch
selbst zur Hemmung führen kann, ist hier ein Beispiel für diese Art des
Schlüsselreizes.
Viele Säuglinge in der Tierwelt können kurz nach der
Geburt nicht sehen und suchen dadurch mit Kopfpendeln nach der Brustwarze des
Muttertiers. Wenn das Junge diese gefunden hat, wird das Kopfpendel sofort
gehemmt und hört auf.
Die Meachanismen der Informationsverarbeitung sind noch
nicht vollständig aufgeklärt. Was jedoch sicher ist, dass der Mechanismuss
flexibler als eine Schlüssel-Schloss-Beziehung ist. Außerdem ist erwiesen, dass
sich der AAM durch lernen (Dressur) bzw. Erfahrung beeinflussen lässt und sich
somit modifiziert werden kann in EAM und EAAM. Dazu später noch mehr.
Schlüsselreize beim Menschen
Der Schlüsselreiz und der dazugehörige AAM ist auch beim
Menschen erkennbar. Bekannte Beispiele dazu sind das Kindchenschema und die
Erkennung der Geschlechtszugehörigkeit.
Beim Kindchenschema handelt es sich um einen optischen
Reiz, welcher aus einer Kombination von Körpermerkmalen, die für Kleinkinder
typisch sind, besteht. Die Merkmale des Kindchenschemas sind:
-
Ein großer Kopf
-
Eine ausgeprägte Stirnwölbung
-
Ein vorgewölbter Hinterkopf
-
Große Augen
-
Kleiner Nasen- und Kinnbereich
Dieser Schlüsselreiz löst beim Menschen ein
Brutpflegeverhalten aus. Dieses Verhalten weist viel Zuwendung und positive
Gefühlsreaktionen auf. Häufig wird dieses Verhalten von der Werbungsindustrie genutzt
um Kaufbereitschaft auszulösen.
Die Geschlechtszugehörigkeit der Erwachsenen wird
wahrscheinlich auch anhand Schlüsselreizen erkannt. Dabei ist ein wichtiger
Faktor das Verhältnis zwischen Schulter- und Hüftbreite. Die Schlüsselreize des
Menschen können im Gegensatz zu denen der Tiere beeinflusst werden. Dies
geschieht zum Beispiel durch die kulturelle Zugehörigkeit und die damit
verbundenen Lernvorgänge. Ein Beispiel dafür ist, dass die weibliche Brust in
Europa als sexueller Reiz eine größere Rolle spielt als in Afrika oder
Ozeanien.
Attrappenversuche
Um all diese Entdeckungen in der Verhaltensbiologie machen
zu können, wurden zahlreiche Versuche mit Attrappen gemacht. Dabei dient die
Attrappe als Nachahmung des natürlichen Reizes, was im häufigsten Fall ein
Modell eines Artgenossens darstellt. Durch verschiedene Änderungen an dem
Modell soll erkannt werden welche Einzelmerkmale oder Merkmalskombinationen für
einen Auslöser eines bestimmten Verhaltens notwendg ist.
EAM und EAAM
Zunächst eine kleine Erklärung der Abkürzungen:
EAM -> erworbener Auslösemechanismus
EAAM -> durch Erfahrung veränderter angeborener
Auslösemechanismus
Wie schon erwähnt, kann ein AAM durch verschiedene
Lernvorgänge oder Erfahrungen modifiziert werden. Solche angeborne
Auslösemechanismen bezeichnet man dann als EAAM (durch Erfahrung veränderter
angeborener Auslösemechanismus).
Zu dieser Art des Auslösemechanismus ein
Beispiel:
Unerfahrene Küken zeigten in einem Versuch mit
Flugtierattrappen zunächst ein Fluchtverhalten. Sie gaben Warnlaute von sich
und versuchten zu flüchten. Mit der Zeit gewöhnten sich die Küken an die
unechten Feinde und realisierten, dass sie keine Gefahr darstellten. Durch das
Lernen wurder der Auslösemechanismus verfeinert und die Reaktion der Flucht nur
noch durch gefährliche echte Greifvögel aktiviert.
Beim EAM (erworbener Auslösemechanismus) handelt es sich
um einen Auslösemechnismus der vollkommen neu angeeignet wird auch die Prägung
kann zu diesem Mechanismus zählen. Ein Beispiel dafür ist die Hundedressur.
Eine andere Reaktion, die zum EAM zählt, ist die Reaktion der Möwen auf
Unterwasserexplosionen. Fischer setzten damals diese Explosionen ein um ihre
Fischfangerträge zu steigern. Das Geräusch, was dabei entstand, beeinflusste
nach einer Zeit die Möwen. Sie reagierten auf das Geräusch mit dem Absuchen der
Wasseroberfläche nach toten Fischen.
Quellen:
Linder Biologie - Lehrbuch für die Oberstufe, Schroedel Verlag
Natura - Biologie für Gymnasien, Klett Verlag
Schüler Duden - Die Biologie, Dudenverlag, Jahr 1976
http://de.wikipedia.org/wiki/Angeborener_Ausl%C3%B6semechanismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4gung_%28Verhalten%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Schl%C3%BCsselreiz
Von: Sonja Dörfer
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