Freitag, 23. November 2012

Reflexe

 
 
Reflexe sind Verhaltensweisen, die unmittelbar auf einen Außenreiz erfolgen und somit keine bestimmte Steuerung oder Bereitschaft  notwendig ist. Die schnelle Reaktion wird auch dadurch ermöglicht, dass den Reflexen lediglich eine einfache Verschaltung zugrunde liegt. Reflexe sind deshalb besonders bei der Abwehr von Gefahren notwendig, ein Fremdkörper zum Beispiel, der in das Auge eindringt, muss so schnell wie möglich wieder entfernt werden, oder es muss schon vorher durch den Lidschlussreflex verhindert werden, dass dieser in das Auge eindringt. Diese Verhaltenselemente, die bei allen Tieren einer Art gleich ablaufen, nach einem festen Bewegungsmuster, sind genetisch bedingt. Dabei kommen bei allen Organismen, die Nervensysteme aufweisen, Reflexe vor.
Außerdem bestimmen Reizstärke und die Reizdauer zum großen Teil die Auslösung und die Dauer der folgenden Reaktion. Es gibt also einen direkten Reiz-Reaktions-Zusammenhang.
Neben der zuvor genannten Bedeutung der Reflexe, den Körper zu schützen, kommen den Reflexen noch weitere Aufgaben zu. Dazu gehört zum einen, dass sichergestellt ist, dass komplexe, grundlegende Bewegungsabläufe von Geburt an korrekt ausgeführt werden können. Ein Beispiel dafür wäre der Saugreflex bei Säuglingen. Zum anderen ermöglichen Reflexe, dass während der Fortbewegung eine korrekte Körperhaltung eingehalten wird.


Der Reflexbogen
 
Durch den Reflexbogen lässt sich der Vorgang von der Registrierung des Reizes bis zur ausgeführten Bewegung darstellen.
Dabei wird zunächst ein Reiz am Rezeptor registriert und löst dann eine Erregung aus. Diese Erregung wird daraufhin über sensorische beziehungsweise afferente Nerven zum Zentralnervensystem weitergeleitet und zwar meistens in das Rückenmark. In diesem Reflexzentrum findet dann eine Verschaltung auf die motorischen beziehungsweise efferenten Nerven statt. Somit wird der Reiz zu dem ausführenden Organ, dem Effektor geleitet, welcher daraufhin reagiert.
Aufgrund einer verschieden komplexen Verschaltung, kann es auch zu unterschiedlichen Reaktionszeiten kommen.


Der Reflexbogen als Modell


Da allerdings für jeden Reiz eine bestimmt Reaktion festgelegt ist, kann viel Zeit eingespart werden, weil keine Entscheidung zwischen verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten getroffen werden muss. Dadurch ist es auch nicht nötig, dass der Reiz erst noch zum Gehirn und dann wieder in das Rückenmark zurück geleitet werden muss. Somit kann die Reaktion besonders schnell erfolgen.


Monosynaptische und polysynaptische Reflexe
 
Für die Effektivität eines Reflexes ist es wichtig, die Anzahl an Verschaltungen zu berücksichtigen, da eine geringere Anzahl eine kürzere Reaktionszeit bedeutet. Darum ist es sinnvoll, zwischen monosynaptischen und polysynaptischen Reflexen beziehungsweise Reflexbögen zu unterscheiden. Dabei sind monosynaptische Reflexbögen besonders effektiv, da sie mit einer einzigen Verschaltung auskommen, was, wie zuvor beschrieben, zeitsparend ist. Sie laufen also nur über eine einzige Synapse im Rückenmark, was bedeutet, dass der Reflexbogen aus zwei Nervenzellen besteht, die über diese eine Synapse verschaltet sind.
Bei polysynaptischen Reflexen hingegen muss das sensorische Signal auf mehrere Neurone übertragen werden, da wie beispielsweise beim Beuger-Strecker-Reflex mehrere Muskeln aktiv werden und im Reflexbogen mindestens ein weiteres Neuron beteiligt ist. Denn tritt man auf einen spitzen Gegenstand, winkelt man nicht nur das eine Bein an, sondern streckt auch gleichzeitig das andere.
Bei polysynaptischen Reflexen können außerdem zusätzliche Reaktionen des Körpers stattfinden, da  Informationen an das Gehirn, wie zum Beispiel Warnsignale durch Schmerzen, gegeben werden können.
Darum ist bei monosynaptischen Reflexen eine meist konstante Zeitspanne von der ausgelösten Erregung am Rezeptor bis hin zum Reagieren des Effektors zu messen. Diese beträgt um die 30ms. Bei polysynaptischen Reflexen hingegen kann die Reaktionszeit um bis zu 140ms variieren.


Eigen- und Fremdreflexe
 
Des Weiteren lassen sich die Reflexe auch in Eigen- und Fremdreflexe unterteilen. Dabei wird die räumliche Beziehung zwischen dem Rezeptor und der ausführenden Einheit betrachtet. Beim Eigenreflex befinden sich der Rezeptor und der Effektor im selben Organ. Somit finden die Reizaufnahme, sowie die Reaktion im gleichen Organ statt. Erfolgen diese in verschiedenen Organen handelt es sich um einen Fremdreflex. Das Reizaufnehmende und das reagierende  Organ sind hierbei also nicht identisch. Demnach ist zum Beispiel der Kniesehnenreflex ein Eigenreflex und Husten ein Fremdreflex, da beim Husten Sinneszellen in der Schleimhaut der Luftröhre den Rezeptor darstellen, die Reaktion aber am Zwerchfell und an der Zwischenrippenmuskulatur stattfindet. Durch Kontraktionen an diesen Stellen wird in der Lunge ein höherer Druck erzeugt, wodurch Fremdkörper aus der Lunge ausgestoßen werden können.
Weitere Kennzeichen von Eigenreflexen sind, dass deren Reflexbögen meist monosynaptisch und eher selten polysynaptisch sind. Die Verschaltung läuft bei diesen Reflexen über das Rückenmark und der Ablauf ist unwillkürlich und schwer ermüdbar. Dadurch, dass die Reflexbögen der Eigenreflexe überwiegend monosynaptisch sind, ist die Reaktionszeit äußerst kurz und größtenteils konstant. Ein weiteres Kennzeichen ist, dass die Eigenreflexe häufig die aufrechte Körperhaltung unterstützen, sowie dazu dienen, willentliche Körperbewegungen auszubalancieren. 
Die  Kennzeichen von Fremdreflexen sind, dass der Reflexbogen polysynaptisch ist, die Schaltung in rückenmarksnahen Teilen des Gehirns oder über Reflexzentren im Rückenmark verläuft. Der Ablauf bei Fremdreflexen ist häufig unwillkürlich, kann aber in einigen Fällen auch willentlich beeinflussbar sein. Die Latenzzeit, also die Reaktionszeit, beträgt nicht wie bei den Eigenreflexen zwischen 20 bis 30ms, sondern 60 bis 200ms, ist somit aber ebenfalls kurz. Die Latenzzeit wird zudem mit zunehmender Reizintensität kürzer. Außerdem lässt sich bei Fremdreflexen eine Ermüdung feststellen, die aber zum Beispiel durch eine Ruhephase wieder behoben werden kann und es lässt sich ein Überdauern des Reflexes beobachten, da die Reaktion bei stärkeren Reizen auch noch nach dem Ende der Reizeinwirkung fortbesteht. Die Funktion von Fremdreflexen ist die von Schutzreflexen oder auch von Reflexen zur Ernährungssicherung, wie zum Beispiel der Schluckreflex.

 
Darstellung zu monosynaptischen und polysynaptischen Reflexen, sowie zu Eigen- und Fremdreflexen


Beispiel eines Reflexes: Der Patellarsehnenreflex
 
Ein Beispiel für einen Eigenreflex ist der Patellarsehnenreflex, welcher auch als Kniesehnenreflex bekannt ist. Der Muskel, durch den der Kniesehnenreflex ausgelöst wird ist der Quadrizeps-Muskel im Oberschenkel. Zwischen dem Ober- und dem Unterschenkel befindet sich außerdem eine Sehne, die Patellarsehne. Der Kniesehnenreflex wird dann ausgelöst, wenn an einer bestimmten Stelle leicht draufgeschlagen wird, oder auch, wenn man beim Gehen mit dem Fuß an einem Widerstand hängen bleibt. Der Quadrizeps-Muskel im Oberschenkel wird dann ruckartig gedehnt, wodurch der Rezeptor, eine Muskelspindel im Inneren des Muskels erregt wird. Diese Erregung gelangt dann über die afferenten Nerven zum Rückenmark, wo an einer Synapse die Erregungsübertragung auf die efferenten Nervenbahnen erfolgt. Daraufhin erreicht die Erregung wieder dem Quadrizeps-Muskel, also den Effektor und löst hier eine Kontraktion aus. Durch diese Kontraktion wird eine Streckung im Kniegelenk ausgelöst, der Unterschenkel schnellt darum nach vorne.
Durch diese Bewegungsabfolge kann meist der Sturz durch vorangegangenes Stolpern verhindert werden, da der vorschnellende Unterschenkel den Körper abfangen kann.


Bedingte und unbedingte Reflexe
 
Bei den Reflexarten wird außerdem noch zwischen bedingten und unbedingten Reflexen unterschieden. Unbedingte Reflexe sind angeborene Reflexe, sie sind entweder schon bei der Geburt komplett ausgebildet oder entwickeln sich bis das Lebewesen geschlechtsreif ist. Dadurch ist die Reaktion auf einen bestimmten Reiz bei Individuen einer Art identisch und unterscheidet sich lediglich in der Intensität.
Bedingte Reflexe sind nicht angeboren, sondern werden erlernt und deshalb auch als erworbene Reflexe bezeichnet.


Das Experiment von Iwan Petrowitsch Pawlow
 
Der russische Wissenschaftler Iwan Petrowitsch Pawlow, der von 1849 bis 1936 gelebt hat, arbeitete in der Verhaltensforschung und hat sich mit den bedingten Reflexen befasst. Dabei fiel ihm zunächst auf, dass bei seinen Hunden ein regelmäßiger Speichelfluss auftrat, wenn diese ihren Pfleger sahen, der sie immer fütterte. Der Speichelfluss trat bei den Hunden auch auf, wenn der Pfleger kein Futter dabei hatte. Dadurch viel ihm auf, dass seine Hunde zwei Reize miteinander in Zusammenhang brachten. Er nannte dies einen konditionierten Reiz.In einem folgenden Experiment ließ er seine Tiere, sobald sie ihr Futter bekamen einen Glockenton hören. Für die Hunde bedeutete dieser Ton nach längerer Zeit, dass sie, immer wenn sie ihn hören, Futter bekommen würden. Wie zuvor, als der Pfleger ohne Futter zu den Hunden kam, begannen sie auch jetzt Verdauungssekrete zu produzieren, wenn sie nur die Glocke hörten, aber kein Futter vorgesetzt bekamen. Die Hunde hatten so einen Reflex erlernt, indem sie auf einen Reiz eine bestimmte Reaktion ausführten.
Allerdings können diese erlernten Reflexe auch wieder verlernt werden, wenn die Glocke zum Beispiel regelmäßig ohne eine darauffolgende Bereitstellung von Futter ertönt.
 

 
Das Experiment von Iwan Petrowitsch Pawlow


Frühkindliche Reflexe
 
Frühkindliche oder primitive Reflexe sind solche, die ablaufen, ohne dass das Großhirn daran beteiligt ist. Sie sind wichtig für die Nahrungsaufnahme und den Selbstschutz und können in den frühen Lebenswochen und Monaten beobachtet werden. Später allerdings werden diese Reflexe durch die Weiterentwicklung des Großhirns und die höheren Funktionen unterdrückt. Dass diese frühkindlichen Reflexe mit der Zeit nicht mehr vorhanden sind ist wichtig, denn erst durch deren Verschwinden können grundlegende Bewegungen erlernt werden. Zum Beispiel beim Fußgreifreflex beugen sich auf einen Druck, der auf die Fußsohle ausgeübt wird, die Zehen in die Richtung der Fußsohle. Würde dieser Reflex nicht verlernt werden, könnte ein Kind weder das Stehen noch das Gehen lernen.
Ein weiterer Reflex im Kindesalter ist zum Beispiel der Saug-Schluck-Reflex. Dieser Reflex sorgt dafür, dass sich das Kind an der Brust seiner Mutter ernähren kann. Wird der Gaumen des Neugeborenen berührt, beginnt dieses zu saugen und durch den Schluckreflex gelangt die Nahrung weiter in die Speiseröhre. Hierbei wird nur der Schluckreflex verlernt, der Saugreflex bleibt das ganze Leben lang bestehen.
Einen ebenso interessanten Reflex stellt außerdem der Moro-Reflex dar. Dieser stellt sicher, dass das Baby seine Bezugsperson umklammert, um nicht herunterzufallen, wenn diese einmal ihre Position ändert. Das Baby reagiert durch diesen Reflex allerdings auch auf andere bedrohliche Situationen. Erschreckt sich das Neugeborene durch einen Reiz, ist seine Reaktion, den Mund zu öffnen und heftig zu atmen. Die Arme werden nach oben gestreckt und die Hände geöffnet. Daraufhin atmet das Baby aus, legt die Arme an seinen Körper an und ballt die Hände zu Fäusten. Dieser komplette Ablauf erfolgt in sehr kurzer Zeit und verhindert zum Beispiel durch die starke Atmung ein ersticken des Kindes.
Der Moro-Reflex wird zu einem späteren Zeitpunkt, nach etwa zwei bis vier Monaten, durch den Schreck-Reflex ersetzt, der dann auch im weiteren Leben bestehen bleibt. Auch hier kann es aber passieren, dass der Moro-Reflex länger bestehen bleibt. Die davon betroffenen Kinder sind häufig besonders schreckhaft und ängstlich und wachen deshalb häufig nachts auf. Durch den fortbestehenden Moro-Reflex kann es bei dem Kind zu Wahrnehmungsstörungen, sowie Koordinationsstörungen und Überempfindlichkeit auf Geräusche und das Licht, was zu einer schnellen Ermüdung der Augen führen kann. Auch haben die betroffenen Kinder häufig Gleichgewichtsstörungen.Vor allem durch die genannten auftretenden Probleme wird deutlich, dass für jemanden, der von andauernden frühkindlichen Reflexen betroffen ist, große Nachteile entstehen.

Beispiel aus dem Strafrecht
 
In der Strafrechtslehre ist zu Beginn festgelegt, was es bedeutet, wenn aufgrund eines Reflexes gehandelt wird. Dabei wird erwähnt, dass Reflexe eine biologisch notwendige Reaktion sind, die unbedingt und in kurzer Zeit erfolgen müssen, damit der Organismus geschützt werden kann. Auch ist wichtig dass sie ohne das Bewusstsein der Handlung ausgeführt werden.
Oft ist schwer zu unterscheiden, ob es sich um eine Reflexhandlung handelt oder nicht. Im folgenden Beispiel wurde beschlossen, dass es sich um kein Verhalten aufgrund eines Reflexes handelte.
 
Eine Frau fuhr mit ihrem Pkw, bei dem die Fensterscheiben heruntergelassen waren, in eine leichte Rechtskurve. Währenddessen flog ihr eine Fliege gegen das Auge, die sie mit einer Hand abzuwehren versuchte. Mit der anderen hielt sie das Lenkrad weiterhin fest. Allerdings übertrug sich die ruckartige Bewegung, die sie mit der anderen Hand ausführte auf ihren Körper und somit auch auf das Lenkrad. Sie geriet mit ihrem Wagen in die Gegenfahrbahn und kollidierte mit einem anderen Fahrzeug.
 
Das Oberlandesgericht sah diesen Fall nicht als ein Handeln aufgrund eines Reflexes an, da es sich beim Abwehren der Fliege nicht um einen Reiz handeln würde, der dann unmittelbar in eine Reaktion umgesetzt wird. Es sei darum keines Falls eine unwillentliche Abwehrreaktion gewesen sein.
Als Beispiele für direkt-motorische Reaktionen werden unter anderem Krämpfe oder Erbrechen genannt oder auch die Reaktion des Auges, sich zu schließen, um den Fremdkörper abzuwehren. Die willentliche Steuerung aber, den Fremdkörper mit der Hand zu entfernen, hätte unterlassen werden können, da es notwendiger gewesen wäre, den drohenden Unfall zu vermeiden.


Quellen
 
NATURA – Neurobiologie und Verhalten, Klett Verlag, Seiten 30,31
Fit fürs Abi – Biologie Wissen, Schroedel Verlag, Seiten 121,22
pdf Datei vom Schroedel Verlag: Verhaltensbiologie - Reflexe
http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Reflexbogen.html
http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Reflex_(Physiologie).html
http://www.spektrum.de/alias/welche-reaktion-seiner-hunde-brachte-iwan-pawlow-auf-die-spur-der-klassischen-konditionierung/621359
http://de.wikipedia.org/wiki/Reflex
http://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BChkindlicher_Reflex
http://blog.horsefriendship.de/__oneclick_uploads/2010/02/pawlowscher-hunder-kopie.gif
http://www.nonomo.de/der-moro-reflex
http://books.google.de/books?id=LRxrINbjQUcC&pg=PA101&lpg=PA101&dq=reflexe+strafrecht&source=bl&ots=U8oFRFhDcr&sig=JK_Za7wO2oljcLnP5V0boUwfzpo&hl=de&sa=X&ei=15XhUMCoKNHOswairoD4Bg&ved=0CD0Q6AEwAg#v=onepage&q=reflexe%20strafrecht&f=false


Von Dajana Komp

2 Kommentare:

  1. TIPPs - auch interessant: frühkindliche Reflexe und ihre Entwicklung, Reflex und Handeln im Strafrecht

    AntwortenLöschen
  2. Meega gute Informationsquelle! Danke dafür. War eine große Hilfe!

    AntwortenLöschen